Kariesprophylaxe: Endlich einheitliche Fluoridempfehlungen

Ein Meilenstein für die Erreichung des Ziels kariesfreier Milchzähne.

„Einheitliche Empfehlungen schaffen Vertrauen und Sicherheit und geben Orientierung in einer Zeit, in der sich vieles ändert“, so Maria Flothkötter, Leiterin des bundesweiten Netzwerkes „Gesund ins Leben“ zur Eröffnung der digitalen Vorstellung der ersten gemeinsamen Handlungsempfehlungen zur Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter am 29. April; gleichzeitig wurden die Empfehlungen in der Monatszeitschrift Kinderheilkunde veröffentlicht.

Es sei ein Meilenstein für die frühkindliche Gesundheitsprävention und helfe allen dabei, die Maßnahmen zur Kariesprävention im individuellen Alltag von Familien mit Babys und kleineren Kindern besser zu verankern, betonte Flothkötter weiter. Mit den neuen gemeinsamen Empfehlungen (Abb. 1) werde es KinderärztInnen, JugendärztInnen, ZahnärztInnen, den Fachkräften der Gruppenprophylaxe, Hebammen und allen, die junge Familien beraten, ermöglicht, gleiche Empfehlungen zu geben und ihre Beratungen gegenseitig zu ergänzen.

    Einigung nach 25 Jahren Vorarbeit

    Schon lange fordern Fachkräfte einheitliche Handlungsempfehlungen zur Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter. Nach 25 Jahren Vorarbeit haben sich die relevanten Fachgesellschaften und -organisationen nun auf einheitliche Standards in der Fluoridgabe für Kinder im Alter von Null bis sechs Jahren geeinigt. Wo lange verschiedene Empfehlungen von Kinder- und JugendärztInnen sowie ZahnärztInnen nebeneinanderstanden, gelten nun endlich gemeinsame.

    Koordiniert wurde diese Entwicklung vom bundesweiten Netzwerk „Gesund ins Leben“, das angesiedelt ist im Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

    Die Bedeutung kariesfreier Milchzähne

    Die Karieshäufigkeit im Milchgebiss ist seit Mitte der 1990er Jahre bisher nur um etwa 35 % zurückgegangen. Fast die Hälfte der Sechs- bis Siebenjährigen ist von Karies betroffen – besonders häufig Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien. „Kariöse Milchzähne können Schmerzen verursachen, beim Essen Schwierigkeiten machen und so die körperliche Entwicklung des Kindes verlangsamen. Insbesondere die Behandlung kleinerer Kinder kann mit Belastungen für die Familie verbunden sein“, erläutert Zahnarzt Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) und Mitautor der neuen Empfehlungen. Und: Bleiben die Milchzähne kariesfrei, ist auch das Kariesrisiko bei den bleibenden Zähnen geringer. Sein Kollege aus dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Burkhard Lawrenz, Kinder- und Jugendarzt, ergänzt: „Wenn Präventionsmaßnahmen schon im frühen Kleinkindalter zur Gewohnheit werden und im Alltag verankert sind, bleiben sie im späteren Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter als Routinen etabliert.“

    Ohne Fluorid geht’s nicht

    Neben der Begrenzung des Verzehrs von Süßigkeiten bzw. süßen Getränken und der regelmäßigen Zahnreinigung spielt die Fluoridanwendung eine wichtige Rolle in der Kariesprävention. Bereits ab der zweiten Lebenswoche wird Fluorid empfohlen: zunächst als tägliche Tablette in Kombination mit Vitamin D, bei Bedarf aufgelöst in ein paar Tröpfchen Wasser. Ab Durchbruch des ersten Zahns bis zum Ende des ersten Lebensjahres wird das Kind behutsam an das Zähneputzen herangeführt. Eltern haben für die Fluoridanwendung zwei Wahlmöglichkeiten, die sie individuell mit der Kinder- und Jugendärztin, dem Kinder- und Jugendarzt bei einer Vorsorgeuntersuchung besprechen, etwa der U5 (mit ca. sechs Monaten), und mit der Zahnärztin oder dem Zahnarzt bei der ersten zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchung (ZFU, ab dem sechsten Lebensmonat möglich): Entweder geben sie erstens weiter die Tablette mit Fluorid und Vitamin D und beginnen das erste Zähneputzen ohne Zahnpasta oder mit einer geringen Menge Zahnpasta ohne Fluorid. Alternativ nehmen sie zweitens ab dem Zahndurchbruch nur Vitamin D als Tablette und putzen die Zähne mit einer bis zu reiskorngroßen Menge Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid (parts per million) bis zu zweimal täglich.

      Exakte Dosierung: Reiskorn oder Erbse

      Ab dem ersten Geburtstag gilt dann: Zweimal täglich putzen mit einer reiskorngroßen Menge Zahnpasta mit Fluorid (Abb. 2). Es ist wichtig, dass die Eltern die Zahnpasta genau dosieren. Lawrenz: „Die empfohlene Zahnpastamenge darf nicht überschritten werden, um eine zu hohe Fluoridaufnahme zu vermeiden. Denn Säuglinge und Kleinkinder können Zahnpasta noch nicht ausspucken.“

      Zahnpasten aus Tuben mit kleinerer Öffnung und solche mit neutraler Farbe und neutralem Geschmack sind zu bevorzugen. Sie sollten für alle Kinder zwischen null und sechs Jahren 1.000 ppm Fluorid enthalten. Zahnmediziner Schiffner: „Einen Wunsch an die Tuben-Hersteller hätten wir noch: genauere Dosierungsmöglichkeiten!“

      Nach dem zweiten Geburtstag werden die Zähne zweimal täglich zu Hause mit einer erbsengroßen Menge Zahnpasta (Abb. 3) geputzt. Das Kind lernt das Putzen, die Eltern putzen die Kinderzähne sauber. Dazu kann ergänzend ein drittes Zähneputzen in Kindergärten und Kitas kommen.

        Eltern-Beratungen sind unverzichtbar

        Elementarer Bestandteil der Gesundheitsprävention sei die Beratung und Aufklärung bei den kinder- und jugendärztlichen Vorsorgeuntersuchungen und die praktische Schulung der Eltern bei den zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen, so Flothkötter. Darüber hinaus hätten Familien Anspruch auf zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen ab dem sechsten Lebensmonat ihres Kindes.

        Behutsames Zähneputzen ohne Widerstand

        Lawrenz: „Um Zahnpflege zur Gewohnheit zu machen, ist es wichtig, das Kind behutsam und spielerisch an die Zahnbürste und das Zähneputzen heranzuführen und zu gewöhnen. Dabei soll das natürliche Bedürfnis des Säuglings genutzt werden, Gegenstände mit dem Mund zu erkunden. Keinesfalls darf gegen den Widerstand des Kindes geputzt werden!“ Ein Lied, ein lustiger Reim oder eine Geschichte könnten dabei helfen.

        Großes Interesse

        Wie groß das Interesse an diesem Thema ist, zeigte nicht zuletzt die Teilnehmerzahl an der virtuellen Veranstaltung: fast 250 Person nahmen daran teil und die vielen Fragen zu den Empfehlungen machten deutlich, dass der Meinungsfindungsprozess an der Basis noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

        Weitere Informationen

        • Die einheitlichen Handlungsempfehlungen zur Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter gibt es kostenlos zum Bestellen oder Herunterladen unter: www.ble-medienservice.de (Bestell-Nr. 0250).
        • Unter www.gesund-ins-leben.de/kariespraevention gibt es Fotos zur sicheren Dosierung und eine Informationsgrafik zu den Empfehlungen.