Frau kaut Kaugummi

Kaugummi warnt vor Peri-Implantitis und Parodontitis

Ein Start-up-Unternehmen aus Baden-Württemberg könnte dafür sorgen, dass zukünftig ein Kaugummi Bestandteil der Diagnose wird.

Auf der Suche nach einer einfachen Methode, um bakterielle Infektionen im Mundraum nachzuweisen, entdeckte ein Team aus Chemikern und Pharmazeuten einen ebenso empfindlichen wie einfachen Sensor, den jeder Mensch immer dabei hat: die Zunge. Sie ist sehr sensitiv und in der Lage, kleine organische Moleküle in geringsten Mengen zu detektieren.

Das Team der 3a-diagnostics GmbH aus Frickenhausen hat nun auf Basis der „ZungenDiagnostik“ einen Kaugummi entwickelt, der als Diagnose-Unterstützung in der Arzt- bzw. Zahnarztpraxis oder Zuhause schnell und unkompliziert zum Einsatz kommen kann. Sind Bakterien – beispielsweise durch Entzündungen am Zahn oder im Mund – vorhanden, entsteht beim Kauen ein bitterer Geschmack und der Zahnarzt kann schnell die passende Behandlung einleiten. Als Erstes und bereits im Jahre 2021 ist die Einführung der Kaugummis für die Früherkennung einer Peri-Implantitis geplant, wenig später soll die Anwendung bei Parodontitis folgen.

Ergebnis nach zwei Minuten

Das Nachweisverfahren ist nicht nur sehr einfach und überall anzuwenden, sondern auch sehr schnell: Bereits nach zwei Minuten liegt ein Ergebnis vor, das dem (Zahn-)Arzt Entscheidungshilfe für die weitere Behandlung bietet. „Das Produkt dient vor allem als Ergänzung zu den bestehenden Tests, als Vorscreening oder niederschwellige Überwachung“", erklärt der Mitgründer der 3a-diagnostic GmbH Dr. Heinrich Jehle. Im Idealfall soll der Kaugummi bereits kurz nach dem Setzen eines Zahnimplantats zum Einsatz kommen, um möglichst frühzeitig Infektionen und eine Veränderung der Mundflora hin zu einem höheren Anteil parodontalpathogener Bakterien zu erkennen.

In Vorbereitung ist außerdem die Entwicklung für Streptococcus pyogenes, ein häufig vorkommendes Bakterium, das beim Menschen unter anderem eine Tonsillitis (Mandelentzündung) auslösen kann.

Das Warnsignal: bitterer Geschmack

Der Kaugummi dient als Trägersubstanz, in den ein löslicher Dünnfilm mit einer spezifischen Peptidkette aus Aminosäuren sowie ein Bitterstoff eingearbeitet sind. Den bitteren Geschmack erkennen nahezu alle Menschen als Warnsignal. Die Peptidkette ummantelt diesen Bitterstoff und macht ihn dadurch so groß, dass er zunächst nicht zu schmecken ist, da die Zunge nur sehr kleine Moleküle wahrnehmen kann. Sind krankheitsspezifische Enzyme einer bakteriellen Entzündung im Speichel vorhanden, trennen diese die Peptidkette vom Bitterstoff ab, sodass er schmeckbar wird. Sind keine Bakterien vorhanden, bleibt der Geschmack neutral. Für jeden Krankheitserreger passt eine andere Peptidkette, die das spezifische Enzym abspaltet; das heißt, dass für verschiedene Krankheiten verschiedene Kaugummis mit jeweils einer anderen Peptidkette entwickelt werden müssen. Beim Verdacht auf eine bakterielle Infektion müsste dann kein Abstrich genommen werden, sondern der Patient könnte zunächst einen für sein Krankheitsbild passenden Kaugummi kauen.

Frei verkäuflich in Apotheken

Der Kaugummi soll rezeptfrei in Apotheken erhältlich sein, wenn sämtliche Fragen der Klassifizierung geklärt sind. Denn bisher gibt es nur sogenannte IVD, In-vitro-Diagnostika, für die eine Probe vom Patienten entnommen und außerhalb des Menschen in einem Fachlabor analysiert wird. Da der Kaugummi jedoch als Testsystem innerhalb des menschlichen Körpers funktioniert, wird er von den Zulassungsbehörden voraussichtlich als Medizinprodukt klassifiziert. „Wir sind meines Wissens weltweit die Ersten, die dafür eine Zulassung beantragen; das ist also auch Neuland für die Medizinprodukteverordnung“, vermutet Dr. Jehle.

Quelle: 3a-diagnostics GmbH