Teil I: Pulver ist nicht gleich Pulver

In der Prophylaxe stehen wir oft vor Zielkonflikten: Unsere Wunschvorstellung ist, dass wir alle Bereiche der Mundhöhle gut erreichen, eine gute Sicht haben und die Patient:innen komfortabel lagern.

Mit Sicherheit spreche ich (Abb. 1) hier für viele meiner Kolleg:innen aus der Prophylaxe. Dabei achten wir trotz der vielen Anforderungen auf unsere Ergonomie und darauf, eine gute Arbeit abzuliefern, bei der unsere Patient:innen keine Unannehmlichkeiten verspüren.

Abb.1: Veronica Martens, B.c. Dentalhygienikerin
Abb.1: Veronica Martens, B.c. Dentalhygienikerin

All diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist nicht immer ein Kinderspiel – gerade an den schwer erreichbaren Stellen der Mundhöhle, zu denen ich vor allem die distalen Bereiche der Molaren, Kronenränder, überkonturierte Implantatkronen, parodontale Resttaschen und freiliegende Wurzeloberflächen bei UPT-Patient:innen zähle. Die herkömmliche Vorgehensweise der professionellen, mechanischen Biofilmund Zahnsteinentfernung wird meist mit invasiven Handinstrumenten, Schall- und/ oder Ultraschallscalern sowie Polierkelchen und -bürsten durchgeführt. Die Arbeit nach dem Guided Biofilm Therapy (GBT)-Protokoll ermöglicht es mir im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden, diesem hohen Anspruch gerecht zu werden.

Als ich 2012 meine Weiterbildung zur zahnmedizinischen Fachassistentin absolvierte und ich genau die oben beschriebene herkömmliche Vorgehensweise erlernte, galt die Anwendung von Airflow noch als stark abrasiv und wurde nur in Ausnahmefällen angeraten. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Airflow-Technologie ausschließlich zur supragingivalen Anwendung gelehrt mit dem Ziel, hartnäckige extrinsische Verfärbungen zu entfernen.

Zum Einsatz kamen dabei beispielsweise Natriumbikarbonat-Pulver, die eine stark abrasive Eigenschaft hatten, weshalb die Anwendung lediglich auf intakten Schmelzflächen indiziert war. Einige Jahre später lernte ich in einem Praxistraining die Air-Flowing-Technologie als Teil des GBT-Protokolls bereits völlig verändert kennen. Eine Technologie, die es möglich macht, deutlich effizienter und schonender nicht nur hartnäckige Verfärbungen, sondern auch vorrangig Biofilm zu entfernen und dies auch am Gingivarand, an Kronen, Brücken, Füllungsrändern und sogar an Implantaten. Verkehrte Welt, dachte ich!

Als ich 2019 – 2021 das Bachelorstudium Dentalhygiene und Präventionsmanagement absolvierte, war das Air-Flowing mit dem Airflow-Plus-Pulver schon fest in der Dentalhygiene etabliert und wurde sogar für Parodontitis- und Periimplantitis-Patient:innen in der Erhaltungstherapie als optimale Behandlungsmethode angesehen. Mit dem Plus-Pulver ist die Biofilmentfernung nicht nur supragingival sicher und minimalinvasiv möglich, sondern auch subgingival in parodontalen Resttaschen und auf Implantatoberflächen durch den Einsatz der Perioflow Nozzle. Es hat eine große Entwicklung in der Prophylaxe stattgefunden. Der entscheidende Unterschied, der diesen Paradigmenwechsel möglich machte, waren auch die Entwicklung des niedrigabrasiven Plus-Pulvers und des evidenzbasierten Prophylaxekonzepts GBT (Abb. 2).

Abb.2: GBT Kompass (EMS)

 

Trotz Protokoll individuell arbeiten

Die GBT ermöglicht es mir, meine Patient:innen nach einem systematischen Protokoll zu behandeln und dabei trotzdem sehr individuell zu bleiben, wobei Übertherapien vermieden werden und die Substanzschonung im Vordergrund steht. Dabei ist der erste Schritt der GBT, der die Beurteilung der Situation der Patient:innen beinhaltet, ein wesentlicher Schritt. Ich beurteile also zunächst die allgemeine und orale Situation, um die darauffolgenden Schritte dementsprechend anzupassen und auf die Erfordernisse meiner Patient:innen einzugehen. Die Sondierungstiefen und der Entzündungszustand sind entscheidend, da die Sprührichtung des Airflow Max, aber auch die Indikation der Perioflow Nozzle und des schmerzfreien Piezon PS Instruments (piezokeramisch) davon abhängen.

Ich wende das Perioflow-Handstück/ Nozzle bei Taschen von 5 – 9 mm bei natürlichen Zähnen und Implantaten an, um Biofilm, BOP und Sondierungstiefen zu reduzieren und das Knochenniveau zu stabilisieren. Unter Beachtung der Gebrauchsanweisung und einer guten Ausbildung sind die Anwendung sicher und der Patientenkomfort hoch (in der Regel wird keine Anästhesie benötigt).

 

Mundhygienecoaching auf Augenhöhe

Um Biofilm erkennen und anschließend gezielt entfernen zu können, mache ich diesen zunächst mit dem EMS Biofilm Discloser sichtbar. Die Visualisierung des Biofilms bietet mir als Behandlerin, aber auch meinen Patient:innen, viele Vorteile: Durch die zwei Farbstoffe Erythrosin und Patentblau, die der Discloser beinhaltet, ist eine exakte Färbung des unterschiedlich reifen Biofilms möglich, was es mir im nächsten Schritt erlaubt, meine Patient:innen individuell über ihre Mundhygiene aufzuklären und – falls erforderlich – zu instruieren und zu motivieren.

Dabei ist mir besonders wichtig, dass ich den Patient:innen gegenüber keineswegs belehrend wirke, sondern gemeinsam und auf Augenhöhe eine Lösung für ihre bisher unbekannten Schwachstellen finde. Durch diese Herangehensweise gelingt es mir, meine Patient:innen abzuholen und sie vom Zugewinn des individuellen Mundhygienecoachings zu überzeugen.

Den angefärbten Biofilm und auch stärkere Verfärbungen entferne ich im nächsten Schritt ausschließlich mit Plus-Pulver. Dieses ist durch seine sehr feine Eigenschaft (mittlere Korngröße 14 µm) in allen Bereichen der Mundhöhle einsetzbar und somit mein absoluter Allrounder. Das Plus-Pulver bietet für mich die optimale Lösung, um den Biofilm in den schwer zugänglichen Bereichen der Mundhöhle supra- und subgingival im Handumdrehen zu entfernen.

Den zweiten Teil dieses Artikels finden Sie hier