Meine Aufstiegsfortbildung zur Dentalhygienikerin – ein Erfahrungsbericht

Meine Aufstiegsfortbildung zur Dentalhygienikerin - Teil 2

Die Fortsetzung des Erfahrungsberichtes von Katharina Lühr.

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Insgesamt viereinhalb Jahre Ausbildung

DH Katharina Lühr

Durch die strukturierte, ausgewogene Ausbildung mit theoretischen und praktischen Übungseinheiten konnte ich mich sehr gut qualifizieren. Dafür habe ich insgesamt 1.250 Weiterbildungsstunden absolviert, aufgebaut auf die ZMP-Aufstiegsfortbildung mit 450 Unterrichtsstunden und weiteren 800 Unterrichtsstunden für die DH-Aufstiegsfortbildung. Noch nicht mitgerechnet sind die vielen Lernstunden zuhause und das Üben in der Praxis. Mit der Berufsausbildung zur Zahnarzthelferin (jetzt ZFA) waren das viereinhalb Jahre Ausbildungszeit.

Die jetzt erworbene Qualifikation entschädigt mich auch für so manche Durststrecke, in der mir manchmal zeitlich die Luft knapp wurde. Meine Familie kam zu kurz und ich war zeitweise sehr erschöpft. Aber das waren zum Glück nur kurze Episoden und ich staune auch heute noch über mich selbst, wie diszipliniert ich gearbeitet und wie viel Spaß und Freude ich daran gehabt habe.

Während ich wenige Unwägbarkeiten bewältigen musste, hatten meine Kommilitoninnen teilweise Kleinkinder, schwierige Familienverhältnisse oder einen weiten Anfahrtsweg, sodass einige von ihnen in Berlin übernachten mussten. Auch Minusstunden musste ich nicht aufbauen oder Urlaub geltend machen.

Die Vorbereitung auf die Prüfungen

Die Prüfungen erforderten viel Vorbereitungszeit. Das darf nicht unterschätzt werden Da eine Menge Lernstoff zu bewältigen war, begann ich frühzeitig dafür zu lernen. Ein eigenes Zimmer als Rückzugsort gab mir die Möglichkeit, mich darauf zu konzentrieren. Lernkarten, Post-its, Ordner, jede Menge Bücher, die meisten auf eigene Initiative angeschafft, verhalfen mir zur Erschließung einer neuen, alten Welt. Vieles war mir bereits bekannt und bedurfte nur der Wiederholung, vieles war aber komplett neu, jedenfalls in dieser Detailliertheit. Viele Stunden saß ich und tauchte ein in den Mikrokosmos der Zellen, in die Psychologie der gewaltfreien Kommunikation oder auch in die faszinierende Welt der anorganischen Chemie.

Die Prüfungen zeigten mir, dass sich die Arbeit gelohnt hatte: Mit einer guten Zwei in der Tasche konnte ich in mein zukünftiges Berufsleben starten.

Delegierbare Leistungen

Meine erworbenen Kompetenzen sind nach der Delegation, als Teil des Zahnheilkundegesetzes § 1 Absätze 5 und 6, in der Praxis umsetzbar. Von nun an dürfen Tätigkeiten an mich delegiert werden. Die Delegation ist Voraussetzung für eine legitime Abrechnung durch die Zahnarztpraxis mit den Kassen oder als Privatleistung mit dem Patienten.

Folgende Leistungen dürfen DHs erbringen (4):

  • Entfernen von interdentalen und subgingivalen
  • Füllungsüberhängen
  • Glattflächen- und Füllungspolitur
  • Zement- und Kunststoffreste entfernen
  • Absolute Trockenlegung (Kofferdam)
  • Versiegelung kariesfreier Fissuren
  • Organisation und Durchführung der risikoorientierten Individualprophylaxe in allen Altersgruppen
  • Situationsabformung
  • Prothetik: Provisorien erstellen
  • KfO:
    • Vorauswahl und Anprobe von Bändern
    • Befestigen von Bögen nach Eingliederung durch den Zahnarzt
    • Ausligieren von Bögen
  • Nahtmaterial entfernen
  • Maßnahmen im Rahmen der Gruppenprophylaxe durchführen
  • Assistenz BUS-Dienst
  • Mitarbeit bei zahnärztlichem Praxisund Qualitätsmanagement
  • Assistenz bei der Fortbildung ZFA
  • Mitarbeit beim Erstellen eines PAR-Befundes
  • Organisation und praktische Umsetzung der unterstützenden parodontalen /implantologischen Therapie (Recall)
  • Beläge anfärben
  • Ursachen von Karies und Parodontopathien erklären
  • Demonstration und praktische Übung zur Mundhygiene
  • Mundhygieneindices erstellen
  • Spezielle Indices erstellen
  • Individuelles häusliches Mundhygieneprogramm erstellen
  • Individuelles Fluoridierungsprogramm erstellen
  • Lokale Fluoridierung mit Gelen oder Lacken
  • Remotivierung
  • Durchführung der Ernährungsanamnese und einer Ernährungsberatung
  • Mithilfe bei der individuellen Kariesdiagnostik und Kariesrisikobestimmung
  • Entfernen von
    • weichen und harten supragingivalen Belägen
    • weichen und harten klinisch sichtbaren subgingivalen Belägen
    • klinisch erreichbaren subgingivalen Belägen
    • klinisch erreichbaren subgingivalen Belägen an Implantatoberflächen.

Diese 33 delegierbaren Leistungen können von mir als qualifizierte und kompetente Mitarbeiterin ausgeführt werden. Dabei implementiert das Wort Leistung ihre Abrechnungsfähigkeit. Für die Praxis ein echter Gewinn! Zahnärztin/Zahnarzt werden entlastet und es gibt einen finanziellen Zuwachs.

Ein Blick zurück: die DH-Ausbildung im „Pfaff“

Die DH-Aufstiegsfortbildung im Philipp- Pfaff-Institut findet in Berlin erst seit 2006/2007 statt. Wie bei vielen Innovationen, z. B. auch bei der/m Zahnmedizinischen Prophylaxeassistentin/en (ZMP) in den zurückliegenden Jahren, war es nicht selbstverständlich, die DH-Fortbildung in Berlin einzuführen. Bisweilen sei es ein holpriger Weg gewesen, wie ich erfahren konnte. Zum einen gab es strukturelle Hindernisse. Da alle Bildungsmaßnahmen Ländersache sind, mussten zunächst das Berufsbildungsgesetz und seine Anforderungen in den Bundesländern (u. a. Nordrhein- Westfalen) und auch in Berlin rechtlich umgesetzt werden.

Es galt, die Zusammenarbeit mit der Universität sicherzustellen und das war nicht immer einfach, da Stellen oft und lange Zeit vom Senat nicht besetzt wurden. Im zahnärztlichen Kollegenkreis Berlins musste Überzeugungsarbeit geleistet werden, da es Befürchtungen gab, dass die Delegation parodontaler Leistungen nicht mit Rechtssicherheit möglich sei oder auch die wirtschaftliche Basis der Praxen dadurch Schaden nehmen könnte. Zahnärztinnen/ Zahnärzte im Kollegenkreis, aber auch zum Teil in den entscheidenden Gremien nahmen an, dass mit Einführung der DH in den beruflichen Alltag Kompetenzverluste für die Zahnärztin/den Zahnarzt zu erwarten seien.

Es brauchte zwar seine Zeit, aber die Bedenken konnten ausgeräumt und Lösungen gefunden werden. Auf Antrag des Kammervorstands begründete schließlich die damalige Vertreterversammlung der Zahnärztekammer Berlin mit großer Mehrheit die DH-Aufstiegsfortbildung in Berlin ab 2006/2007.

Heute, so ist erkennbar, sind sich die Zahnärztinnen/ Zahnärzte Berlins einig, dass es eine richtige Entscheidung war und ist, DHs am Pfaff auszubilden. Über die Grenzen Berlins hinaus ist bekannt, dass die Ausbildungsqualität sehr hoch ist. Die Befürchtungen Einiger haben sich nicht bestätigt, die DH ist etabliert und gehört inzwischen in vielen Praxen zum beruflichen Alltag (5).

Gute Berufsaussichten

Die Zahl der ausgebildeten und aktuell in Deutschland tätigen DHs liegt nach Schätzung der Bundeszahnärztekammer derzeit bei 1.600. (6) Die Zahl der tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte liegt bei 72.592. Eine DH muss also rein rechnerisch für 45 Zahnärztinnen/ Zahnärzte arbeiten.

Laut Fünfter Mundgesundheitsstudie (DMS V) weisen die Parodontalerkrankungen weiteren Handlungsbedarf auf.

Zwei von drei jüngeren Senioren (65 % der 65- bis 74-Jährigen) weisen eine parodontale Erkrankung auf. Insgesamt hat fast jeder Zweite in dieser Altersgruppe eine moderate und jeder Fünfte eine schwere Parodontitis. Bei den älteren Senioren – also den 75- bis 100- Jährigen – verstärkt sich dieser Trend. Hier weisen sogar neun von zehn Menschen eine moderate bzw. schwere Parodontitis auf. Die nach aktuellen internationalen Empfehlungen in der DMS V durchgeführten Untersuchungen zur Parodontitis legen nahe, dass Parodontalerkrankungen altersassoziiert sind. Heute leiden 51,6 % der jüngeren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) an einer moderaten oder schweren Parodontalerkrankung. Im Jahre 2030 wird ein Großteil der Bevölkerung Senioren sein. Trotz abnehmender Prävalenzen ist daher derzeit mit einer Zunahme des parodontalen Behandlungsbedarfs zu rechnen (7).

DHs im europäischen Vergleich

Wie sieht es in anderen europäischen Ländern aus? Die Vorzeigeländer in puncto Prophylaxe bilden schon seit den 1960er Jahren DHs aus (8). In Schweden arbeiten 6.869 DHs und 16.080 Zahnärzte und Zahnärztinnen, eine DH arbeitet also rein rechnerisch für 2,3 Zahnärzte und Zahnärztinnen (9).

In der Schweiz sind es 7.364 Zahnärzte und Zahnärztinnen und 2.600 DHs – eine Schweizer DH arbeitet also rechnerisch für 2,8 Zahnärzte und Zahnärztinnen (10).

In Italien wurde erst Ende 2019 ein Register zur Erfassung der Anzahl der arbeitenden Dentalhygieniker/innen eingeführt. Deshalb ist die erfasste Zahl von 5.900 DHs noch nicht vollständig. In Italien – so der Präsident des Italienischen Dentalhygieniker-Verbandes (AIDI) – sind 27 Studiengänge an insgesamt 32 Universitätszentren aktiv. Jedes Jahr beginnen 659 Erstsemester ihr Studium. Die Zahl der Zahnärztinnen und Zahnärzte in Italien liegt derzeit bei etwa 60.000 (11).

In Italien ist es üblich, dass Dentalhygieniker/innen eine eigene Praxis aufmachen oder als Freiberufler/innen mit eigener Steuernummer tätig sind (12).

Im PPI Berlin wurden bis zum März 2020 231 Dentalhygieniker/innen ausgebildet (13). Ein guter Anfang, wenn wir in Deutschland einen ausreichenden Standard haben wollen. Der Mittelwert zwischen der Schweiz und Schweden ergibt, dass rechnerisch ein/e Dentalhygieniker/in für 2,5 Zahnärzte und Zahnärztinnen arbeitet. Strebten wir diesen Wert an, müssten wir in Deutschland 29.036 Dentalhygieniker/innen haben:

Aufgaben und Ziele

Ein Kernproblem der Parodontitis ist die mangelnde Wahrnehmung durch den Patienten. Ähnlich wie beim Diabetes mellitus wird die Erkrankung nicht als destruktives Geschehen wahrgenommen. Erst, wenn gravierende Folgen und vielleicht auch Schmerzen auftreten, wird die Erkrankung als solche erkannt.

Deshalb ist es so wichtig, dass Zahnärzte und Zahnärztinnen Präventionsprogramme in ihr Praxiskonzept aufnehmen und etablieren. Der PSI, der parodontale Screening Index, muss bei der Befundung mit aufgenommen werden.

Patienten erwarten zunehmend den Erhalt ihrer Zähne und die Ausschöpfung aller Therapiemöglichkeiten (14).

Die Prophylaxe als Schutzmaßnahme vor Zahn- und Zahnfleischerkrankungen und die Präventivmaßnahme UPT als Rezidivschutz müssen in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden.

Zusätzlich bedarf es angestrengter Lobbyarbeit und Systemverbesserungen, um Dentalhygieniker/innen ihrer Arbeit und ihrer Qualifikation entsprechend zu honorieren.

DH Katharina Lühr Schönwalde-Glien

Quellennachweise für Teil 1 und 2