Präventionsleistungen für Menschen mit Beeinträchtigung und Pflegebedürftige können abgerechnet werden

Abrechnung von Präventionsleistungen bei Menschen mit Beeinträchtigung und Pflegebedürftigen

Die zusätzlichen Präventionsleistungen können im Rahmen der halbjährlichen Routineuntersuchung mit erbracht werden

Bereits seit dem 01.07.2018 können Präventionsleistungen für Menschen mit Beeinträchtigung und Pflegebedürftige zulasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. Dennoch bleiben diese Leistungen in vielen Praxen immer noch unberücksichtigt.

Das ist sehr schade, denn ein Argument für die Etablierung der Präventionsleistungen in der Praxis ist neben der Verbesserung der Mundgesundheit die Tatsache, dass diese Leistungen für die Praxis auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten interessant sind.

Denn sie erschließen der Praxis neue Umsatzpotenziale und schließen die Lücke zwischen Routineuntersuchung, PZR und systematischer PAR-Behandlung, ohne die Patienten finanziell weiter zu belasten.

Berechtigter Personenkreis

Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung (Richtlinie nach § 22a SGB V) regelt Art und Umfang der zahnärztlichen Leistungen.

Anspruchsberechtigt sind danach Versicherte bei Vorliegen eines Pflegegrads nach § 15 SGB XI, bei eingeschränkter Alltagskompetenz nach § 45 SGB XI oder Erhalt von Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII.

Der leistungsberechtigte Personenkreis ist groß, denn bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen werden die Leistungen unabhängig von der Schwere der Beeinträchtigung und des Alters gewährt.

Präventionsleistungen

Die Abrechnungsbestimmungen der einzelnen Leistungen sind so aufgebaut, dass die zusätzlichen Präventionsleistungen im Rahmen der halbjährlichen Routineuntersuchung mit erbracht werden können.

Die Leistungen können sowohl in der Praxis als auch neben Besuchen in Pflegeeinrichtungen oder in der häuslichen Umgebung des Patienten erbracht werden.

Normalerweise ist die Entfernung von harten und weichen Zahnbelägen bei Kassenpatienten nur einmal pro Kalenderjahr über die Krankenkasse nach BEMA-Nr. 107 berechenbar. Für Versicherte, die einem Pflegegrad zugeordnet sind oder Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII erhalten, ist die halbjährliche Berechnung der Zahnsteinentfernung möglich.

Dazu wurde die BEMA-Nr. 107a: Entfernen harter Zahnbeläge bei Versicherten, die einem Pflegegrad zugeordnet sind oder Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII erhalten, neu in den BEMA aufgenommen.

Die Leistung ist je Sitzung und Kalenderhalbjahr einmal berechenbar und ist auch im zweiten Halbjahr möglich, wenn im ersten Halbjahr bereits eine Leistung nach BEMA-Nr. 107 abgerechnet wurde.

Ein besonderes Augenmerk legt die Richtlinie auf die Erkennung von Mundhygienedefiziten und die Verbesserung der Mundhygiene. Dazu wurden zwei aufeinander aufbauende Positionen in den Leistungskatalog aufgenommen.

 

Mundgesundheitsplan und Mundgesundheitsaufklärung

Die BEMA-Nr. 174a beschreibt die Aufnahme des Mundgesundheitsstatus des Patienten und die Erstellung eines individuellen Mundgesundheitsplans.

Er wird beim Besuch der Patientin bzw. des Patienten erstellt und soll neben dem Status auch die Angaben der Patientin bzw. des Patienten bzw. der Pflegekraft berücksichtigen; die Dokumentation erfolgt auf einem speziellen Vordruck nach § 8 der Richtlinie, der, sofern nicht in der Praxissoftware hinterlegt, bei der zuständigen KZV zum Download bereit steht.

Der Vordruck ist bewusst einfach gehalten, um eine schnelle und unkomplizierte Aufnahme aller wichtigen Befunde zu ermöglichen. Der Patient bzw. die Pflegekraft erhält eine Ausfertigung für den eigenen Bedarf oder zur Ablage in der Pflegeakte.

Die Leistung ist einmal je Kalenderhalbjahr berechenbar, eine erneute Berechnung im zweiten Kalenderjahr ist frühestens nach vier Monaten entsprechend den Abrechnungsbestimmungen zur 01 möglich.

Eine Berechnung der IP 1, IP 2, FU 1 oder FU 2 in derselben Sitzung ist wegen der inhaltlichen Überschneidung der Leistungen ausgeschlossen. Bei Leistungserbringung in der Zahnarztpraxis ist daneben die BEMA-Nr. 01 oder Ä1 berechnungsfähig.

Neben Besuchsleistungen ist die BEMA-Nr. Ä1 nicht berechnungsfähig, da sie bereits Leistungsinhalt der Besuchsleistungen ist. Der Mundgesundheitsplan ist Grundlage für die anschließende Mundgesundheitsaufklärung.

Die Mundgesundheitsaufklärung nach BEMA-Nr. 174b umfasst die Aufklärung über die Inhalte des Mundgesundheitsstatus nach BEMA 174a, die Demonstration und gegebenenfalls auch praktische Anleitungen zur Reinigung der Zähne und des Zahnersatzes sowie Demonstration und Unterweisung zur Handhabung von herausnehmbarem Zahnersatz.

Die Pflege- und Unterstützungspersonen sollen mit einbezogen und der Nutzen der empfohlenen Maßnahmen verständlich erläutert werden. Ziel ist es, die erworbenen Kenntnisse in den Pflegealltag zu integrieren.

Deshalb ist es notwendig, die Lebensumstände, individuellen Fähigkeiten und Einschränkungen der Patientin bzw. des Patienten zu berücksichtigen. Da die Abrechnung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Mundgesundheitsplan nach BEMA 174a erfolgen soll, ist auch diese Leistung einmal je Kalenderhalbjahr und frühestens nach vier Monaten erneut berechnungsfähig.

Bei der Erbringung der Präventionsleistungen ist der Delegationsrahmen laut Zahnheilkundegesetz zu beachten. Die BEMA-Nr. 174a (Mundgesundheitsplan) setzt das höchstpersönliche Handeln der Zahnärztin bzw. des Zahnarztes voraus, eine Delegation an nicht-zahnärztliche Mitarbeitende ist aufgrund des Leistungsinhaltes nicht möglich.

Die Mundgesundheitsaufklärung hingegen kann genau wie die Zahnsteinentfernung nach BEMA-Nr. 107a an entsprechend geschultes Personal delegiert werden.

Im Hinblick auf den demografischen Wandel sollten präventionsorientierte Praxen diese Patientengruppe in ihr Prophylaxe-Konzept mit einbinden.

Um die Zielgruppe für diese Präventionsleistungen aus dem Pool der Patientinnen und Patienten zu filtern, ist es sinnvoll, bereits auf dem Anamnesebogen eine entsprechende Abfrage zu Pflegegrad oder Eingliederungshilfe zu machen.

Im Patientengespräch kann dann auf die entsprechenden Leistungen hingewiesen werden, denn viele der betroffenen Patientinnen und Patienten oder pflegenden Angehörigen wissen nicht, dass ihnen diese zusätzlichen Leistungen zustehen.

Um den Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse belegen zu können, sind Nachweise zu Pflegegrad oder Eingliederungshilfe in der Patientenkartei zu hinterlegen.

Ein weiterer Anreiz zur Erbringung von Präventionsleistungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung ist auch, dass sie aufgrund ihrer Einstufung als Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen nicht in die Budgetierung fallen.

Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse können außerdem mit zusätzlichen Privatleistungen kombiniert werden und ergeben so ein in sich geschlossenes Konzept.

Zusätzliche Privatleistungen können zum Beispiel die professionelle Zahnreinigung nach GOZ-Nr. 1040, subgingivale Einbringung von Medikamenten nach GOZ-Nr. 4025 oder die professionelle Reinigung von Teil- oder Vollprothesen sein.

ZMV+ Birgit Enßlin
Kerschelweg 20 83098 Brannenburg
E-Mail: abrechnungsreferat@zmvplus.de
Web: www.zmvplus.de

prophylaxe impuls 27. Jahrgang, 212-213, 2023